Seit mehr als einem Jahr bastle ich inzwischen an meiner Jobbörse für anspruchsvolle Teilzeitstellen. In dieser Zeit habe ich:
- mehr als 450 interessante Teilzeitstellen verschickt,
- 22 Blogposts verfasst,
- Mich selbst zu TOPS München-Berlin e.V. vermittelt,
- und viele spannende Menschen kennengelernt.
Für mich sind eigene Projekte der schnellste Weg, um mich in einem Themenbereich aufzuschlauen. Vor etwas mehr als einem Jahr wusste ich ziemlich wenig über Jobbörsen, Bewerbungsprozesse und Besetzungen von Teilzeitstellen, da ich bis dahin ohne formale Bewerbungen gut durchs Berufsleben gekommen war.
Was ich über Jobbörsen und Arbeiten in Teilzeit gelernt habe
Die Nachfrage nach guten Teilzeitstellen ist riesig
Meine Teilzeitbörse hat für mich bestätigt, was viele Studien (z.B. der Hans-Böckler-Stiftung) auch zeigen: Viele Menschen wollen weniger als 40 Stunden arbeiten.
Die Kennzahlen meines Newsletters sind für mich als alten Online Marketing-Hasen eine noch nie dagewesene Erfolgsgeschichte: Sie liegen konstant bei einer Öffnungsrate von 70% und einer Klickrate von 30%. Auch die vielen enthusiastischen Rückmeldungen meiner Abonnent:innen zeigen mir, dass der Bedarf an anspruchsvollen Teilzeitstellen riesig ist.
Das Angebot an guten Teilzeitstellen ist winzig
Gleichzeitig wird dieser Bedarf nicht ansatzweise von Unternehmen gedeckt. Das zeigt schon der Blick auf die nackten Zahlen: 30% aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten in Teilzeit, aber nur 14% der Stellenangebote werden für Teilzeitkräfte ausgeschrieben.
Hinzu kommt, dass sich diese 14% auf alle ausgeschriebenen Teilzeitstellen beziehen. Gerade Aushilfsjobs werden häufig und gerne in Teilzeit ausgeschrieben. Deswegen schaut es für die Leute auf der Suche nach anspruchsvollen Teilzeitjobs noch finsterer aus.
Dieses Missverhältnis begegnet mir jede Woche auf der Suche nach den besten Teilzeitstellen. Es ist enorm schwer, die Teilzeitbörse mit den versprochenen aspruchsvollen Teilzeitstellen zu befüllen.
Die Strukturen in Unternehmen machen es schwer, gute Teilzeitstellen auszuschreiben
Auch eigentlich teilzeitfreundlichen Entscheider:innen fällt es nicht leicht, offene Stellen in Teilzeit zu besetzen. Die Strukturen sind einfach zu sehr auf Vollzeit ausgelegt.
Ein Beispiel für diese Strukturen ist das Personalcontrolling nach Full-Time-Equivalents. Wenn eine Abteilung aufgestockt wird und in diesem Zuge vier neue FTEs genehmigt bekommt, ist es natürlich am einfachsten vier Vollzeitkräfte einzustellen.
Sobald eine Person in Teilzeit eingestellt wird, steigt die Komplexität und die Entscheider:in muss mit Bruchteilen von FTEs hantieren. Bei den vielen sonstigen Themen, die die Führungskraft auf dem Tisch liegen hat, verstehe ich den Wunsch, es möglichst einfach zu halten und lieber Vollzeitkräfte einzustellen.
Dazu kommt noch, dass viele Unternehmen auch gar nicht adäquat darauf vorbereitet sind, Teilzeitkräfte gut einzubinden und zum Beispiel bei Meetingzeiten unterschiedliche Verfügbarkeiten zu achten.
An Menschen orientierte Organisationen haben oft die interessantesten Teilzeitstellen
In meiner Teilzeitbörse sind meistens die Hälfte der Stellen von Organisationen ausgeschrieben, die nicht in erster Linie auf die Wirtschaftlichkeit abzielen: also Vereine, Stiftungen, Sozialunternehmen, Genossenschaften, etc.
Ich habe dafür drei Erklärungsansätze:
- Wenn Organisationen vor allem am Menschen orientiert sind, versuchen sie auch die besten Arbeitsbedingungen für diese zu schaffen.
- Da diese Organisationen oft mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, können sie gut damit umgehen, wenn Arbeitskräfte nicht immer verfügbar sind, sondern partiell unterstützen.
- Oftmals sind diese Stellen etwas schlechter bezahlt als vergleichbare in Kapitalgesellschaften. Deswegen sind sie gewohnt, Jobsuchenden bei den Arbeitsbedingungen viel zu bieten.
Die Vermittlung von Teilzeitstellen ist ein schwieriges Geschäft
Ich habe in dem Jahr niemanden kennengelernt, die oder der mit der Vermittlung von Teilzeitstellen dauerhaft wirtschaftlich erfolgreich ist (falls es dich da draußen doch gibt: bitte melden!). Und das obwohl ich sehr kompetente Menschen in diesem Bereich kennengelernt habe.
Die oben beschriebenen Strukturen in Unternehmen machen es allen auf Teilzeit spezialisierten Dienstleister:innen schwer. Gleichzeitig haben die Pionierorganisationen, die regelmäßig gute Teilzeitstellen ausschreiben, oftmals einen eigenen Bewerberpool, der Unterstützung überflüssig macht.
Auch der Blick zu anderen Jobbörsen in der Nische zeigt, dass diejenigen erfolgreich sind, die auch auf Arbeitgeber:innen-Seite eine klar abgegrenzte Zielgruppe haben. Das sind zum Beispiel Branchendienste oder Jobbörsen rund um eine Ausbildung oder eine Position.
Was ich im zweiten Jahr der Teilzeitbörse vorhabe
Gegen die oben beschriebenen Widerstände kann ich für eine auf anspruchsvolle Teilzeitstellen spezialisierte Jobbörse allein kein Geschäftsmodell entwickeln. Und um die Teilzeitbörse als Hobby einfach weiterzuführen, ist es mir dann doch zu viel Arbeit.
Die unternehmerische Chance: Karriere in Teilzeit ermöglichen
Gleichzeitig sehe ich in dem großen Missverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot an anspruchsvollen Teilzeitstellen nicht nur den bedauerlichen Frust der Jobsuchenden, sondern auch eine wirtschaftliche Chance.
Der überall spürbare Fachkräftemangel bremst Unternehmen schon jetzt aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die liegengebliebene Arbeit durch Appelle zu „mehr Bock auf Arbeit“ oder „Lust auf die Überstunde“ weggeschafft wird.
Einen anderen Ansatz halte ich da für menschlich und unternehmerisch naheliegender:
Gut ausgebildeten Menschen, die weniger als 40 Stunden pro Woche arbeiten können oder wollen, endlich angemessene Karrieren ermöglichen.
Deswegen möchte ich im zweiten Jahr der Teilzeitbörse nicht nur Jobs vermitteln, sondern auch Organisationen dabei helfen, teilzeitfreundlicher zu werden.
Der Zusammenschluss mit TEILZEIT.TALENTE
Alleine ist das schwer. Deswegen schließe ich mich mit der deutschlandweit einzigen auf Teilzeit spezialisierten Organisationsberatung zusammen: TEILZEIT.TALENTE.
Für sich genommen ist eine auf anspruchsvolle Teilzeitstellen spezialisierte Jobbörse schwer. Als Teil einer auf Karriere in Teilzeit spezialisierten Beratungsfirma hilft die Jobbörse dabei, Unternehmen da anzusprechen, wo der Schuh drückt: beim Fachkräftemangel.
Ganz abgesehen davon, dass es inhaltlich für mich total stimmig ist: Johanna Fink, die Gründerin von TEILZEIT.TALENTE, ist extrem kompetent und sympathisch und im Team arbeitet es sich motivierter als alleine.
Schauen wir mal, wie sich die Teilzeitbörse als Teil von TEILZEIT.TALENTE macht und wo es uns gemeinsam hinträgt.
Die Reaktionen auf LinkedIn zeigen mir schon einmal, dass nicht nur Johanna und ich unseren Zusammenschluss für eine gute Idee halten.
