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Warum die Wirkung von digitalen Werbekampagnen meistens deutlich schlechter ist als sie ausschaut

Ich bin seit sieben Jahren im Online Marketing unterwegs. In dieser Zeit hat das Tracking von Nutzern mehr und mehr zugenommen (auch wenn ich glaube, dass inzwischen Datenschutz ein Wettbewerbsvorteil ist).

Trotzdem behaupte ich, dass immer noch genauso viel Geld zum Fenster rausgeworfen wird wie vor sieben Jahren. Dazu habe ich zwar keine empirische Studie, aber reichlich anekdotische Beobachtung.

Die Interprationsfähigkeit der gesammelten Daten und das Verständnis für die unterschiedlichen Werbekanäle ist nicht im gleichen Maße gewachsen wie die Masse der Daten. Ich stelle hier mal typische Fehlinterpretationen vor, die mir häufig begegnen:

Bei Facebook Kampagnen

Natürlich können Facebook-Kampagnen sehr profitabel laufen. Hier habe ich mal ein vermutlich gut funkionierendes Beispiel vorgestellt. Aber bei dem folgenden, sehr häufigen, Kampagnen-Setup lohnt es sich, genau hinzuschauen:

Eine vorgeblich erfolgreiche Beispielkampagne

Der fiktive Werbetreibende „Unihorn“ schaltet Anzeigen auf Facebook, um mehr seiner hochwertigen Einhorn-Poster zu vertreiben. Dazu erstellt er eine Kampagne mit zwei Anzeigengruppen. Die eine Anzeigengruppe nimmt die Website-Besucher ins Visier (Retargeting) und die andere Anzeigengruppe eine wie auch immer definierte kalte Zielgruppe (also Menschen, die noch nicht mit dem Unternehmen in Kontakt waren). Beide Anzeigengruppen haben das Ziel, den Besucher direkt zum Kauf zu bewegen.

Jetzt nehmen wir einmal an, dass unihorn die Grenze für eine profitable Kampagne bei 7 € Kosten pro Kauf definiert hat. Facebook zeigt im Werbemanager an, dass die Kampagne bei einem Budget von 600 € 100 Käufen ausgelöst hat. Dadurch läuft sie mit Kosten pro Kauf von 6,00 € im grünen Bereich.

Warum mit dieser Kampagne eigentlich Geld angezündet wird

Wenn der Werbetreibende von unihorn sich nun nicht nur die Daten der Kampagne anschaut, sondern auch die der zwei Anzeigengruppen, stellt er fest, dass die Retargeting-Anzeigengruppe 90 Käufe bei einem Budget von 100 € ausgelöst hat und die Anzeigengruppe mit der kalten Zielgruppe nur 10 Käufe bei einem Budget von 500 €.

Also schauen die Kosten pro Kauf nach den Anzeigengruppen aufgeschlüsselt so aus:

  • Retargeting-Anzeigengruppe: 100 € / 90 Käufe = 1,11 € pro Kauf => schaut profitabel aus
  • Anzeigengruppe mit der kalten Zielgruppe: 500 € / 10 Käufe = 50 € pro Kauf => schaut extrem unprofitabel aus

Dazu kommt, dass diese Zahlen aus dem Werbemanager von Facebook kommen. Facebook ist den eigenen Anzeigen gegenüber natürlich wohlgesonnen und großzügig eingestellt. Also ordnet Facebook standardmäßig alle Käufe den Anzeigen zu, wenn der Nutzer einen Tag nach Sicht oder 28 Tage nach Klick kauft – egal, was der Nutzer in der Zwischenzeit macht. Wer dann einen Blick in ein anderes Analyse-Tool wirft, findet deutlich weniger Käufen der Facebook-Kampagne zugeschrieben.

Ein weiterer Effekt bewirkt zudem, dass auch die im neutralen Webanalyse-Tool angezeigten Zahlen unserer Beispielkampagne eine größere Wirkung beimessen als sie eigentlich haben. Facebook ist mit seinem Datenschatz eine unglaublich clevere Maschine und liefert dem Werbetreibenden das, was er bestellt. Gibt der Werbetreibende als Ziel der Kampagne beispielsweise „Klicks“ aus, werden die Anzeigen Leuten ausgespielt, die sehr gerne klicken (was sie dann auf der Website machen, ist eine komplett andere Frage und oft nicht das, was sich der Werbetreibende vorstellt…).

Nach dem gleichen Prinzip werden in unserem Beispiel die Werbeanzeigen Menschen ausgespielt, die vermutlich kaufen. Eigentlich eine effektive Sache. Knifflig wird es nur bei der Frage, ob sie sowieso unihorn-Poster gekauft hätten oder nur durch die Werbeanzeige gekauft haben. Das ist natürlich im Nachhinein schwer zu beantworten. Aber trotzdem sollte sich der Werbetreibende diese Frage stellen.

Bei Google Kampagnen

Bei allen Werbekampagnen wirken prinzipiell die gleichen Effekte wie bei unserer Beispiel-Facebook-Kampagne:

  • Teile der Kampagne performen oft sehr schlecht, was über Durchschnittswerte verborgen bleibt.
  • Die Werbemanager der jeweiligen Plattform betrachten isoliert die eigenen Anzeigen und rechnen die Käufe deswegen immer den eigenen Anzeigen zu, egal, was der Nutzer in der Zwischenzeit macht. Dadurch wird die Wirkung der Anzeigen systematisch überschätzt.
  • Durch die Verbindung von enorm vielen Datenpunkten können Plattformen dem Werbetreibenden das liefern, was er bestellt. Dadurch werden vermehrt Leute angesprochen, die sowieso gekauft hätten.

Da das Setup von Googles Suchkampagnen doch sehr verschieden zu dem der ersten Beispielkampagne ist, will ich hier noch eine zweite bespielhafte Kampagne vorstellen:

Ein vorgeblich erfolgreiches Setup bei Google Ads

Es gibt zwei Kampagnen unseres fiktiven Einhorn-Poster-Herstellers unihorn. Die eine Kampagne ist eine klassische „Brand-Kampagne“ und bietet auf den Markennamen „unihorn“. In der zweiten Kampagne werden thematisch passende Suchwörter eingebucht, zum Beispiel „Einhorn Poster“. Auch hier soll die Anzeige den Nutzer direkt zum Kauf bewegen. Deswegen ist die Gebotsstrategie „Conversions maximieren“.

Wir nehmen wieder an, dass der Werbetreibende das Ziel hat, pro Kauf maximal 7 € auszugeben. Google zeigt im Werbemanager an, dass die Kampagnen bei einem Budget von 600 € 100 Käufen ausgelöst hat. Dadurch laufen sie bei naiver Betrachtung mit Kosten pro Kauf von 6,00 € im grünen Bereich.

Warum mit diesem Setup eigentlich Geld angezündet wird

Wenn unihorn sich nun nicht nur die aggregierten Daten des Kontos anschaut, sondern auch die der zwei Kampagne, stellt er fest, dass die Brand-Kampagne 90 Käufe bei einem Budget von 100 € ausgelöst hat und die Kampagne mit den thematisch passenden Suchwörtern nur 10 Käufe bei einem Budget von 500 €.

Also schauen die Kosten pro Kauf nach den Kampagnen aufgeschlüsselt so aus:

  • Brand-Kampagne: 100 € / 90 Käufe = 1,11 € pro Kauf => schaut profitabel aus
  • Kampagne mit den thematisch passenden Suchwörtern: 500 € / 10 Käufe = 50 € pro Kauf => schaut extrem unprofitabel aus

Im Vergleich zur Facebook-Kampagne ist hier noch ein bisschen deutlicher, warum die Wirkung der Brand-Kampagne durch die in Google Ads angezeigten Zahlen überschätzt werden. Wer „unihorn“ googelt, kennt unihorn schon und will vielleicht eh dort kaufen. Vermutlich steht die Website von „unihorn“ auch in den organischen Ergebnissen der Suche ganz oben. Ob und wie viele zusätzliche Käufe durch die Google-Ads-Kampagne auf das Keyword „unihorn“ ausgelöst wurden, ist völlig unklar.

Die Welt will betrogen werden

Eigentlich ist es gar nicht so kompliziert, zu verstehen, warum die Wirkung der Kampagnen durch die Zahlen in Werbemanagern konsequent überschätzt werden. Ich denke aber, dass es nicht nur fehlendes Verständnis ist, solche eigentlich defizitären Kampagnen weiterlaufen zu lassen, sondern oft auch fehlender Wille.

Zum Abschluss schaue ich mir noch die Anreize der verschiedenen Akteure an. Dadurch erklärt sich meiner Meinung die Existenz von vielen Werbekampagnen:

  • Die Werbeplattformen wie Google und Facebook: Werbeplattformen wollen möglichst viele Anzeigen verkaufen. Also ist klar, dass sie nichts gegen eine freundliche Interpretation der Anzeigenergebnisse tun – solange sie nicht grob falsch sind.
  • Die Werbetreibenden wie in unserem Beispiel unihorn: Eigentlich haben diese natürlich schon das Interesse, nur profitable und wirklich wirksame Kampagnen zu schalten. Aber in der Praxis sehe ich hier andere Anreize der handelnden Akteure. Größere Unternehmen lagern die Umsetzung von Digitalkampagnen an Dienstleister wie mich aus. Gesteuert werden diese Dienstleister von Marketingverantwortlichen, die sich oft im Vorhinein für die Kampagne stark gemacht haben. Also wollen beide Akteure auf Seiten der Werbetreibenden die Kampagne erfolgreich sehen: Der Dienstleister hat dann gute Arbeit gemacht und es winken Folgeaufträge. Die Marketingverantwortliche hatte eine tolle Idee.

Natürlich gibt es auch profitable digitale Werbekampagnen. Ich glaube aber, dass sie seltener sind als viele denken. Gibt es hier andere Meinungen? Zustimmung? Ähnliche oder gegensätzliche Beobachtungen? Wie immer freue ich mich über Kommentare.

2 Antworten auf „Warum die Wirkung von digitalen Werbekampagnen meistens deutlich schlechter ist als sie ausschaut“

Wenn das so ist lieber Moritz, wie können wir das besser machen? Kannst dich gern mal melden weil wir auch größere Projekte planen. Würde mich freuen. Monika

Liebe Monika,

meiner Meinung nach hilft am besten der direkte Vergleich mit den Zahlen im eigentlichen Zielsystem:

Also, wenn ich durch meine Kampagnen mehr verkaufen will, schaue ich nach dem Start meiner Kampagne nach, ob ich wirklich mehr verkauft habe. Und zwar nicht in Google Analytics, sondern im Warenwirtschaftssystem.

Leider ist das nicht immer so einfach, zum Beispiel weil die Kampagne keinen so großen Einfluss auf die normalen riesigen Verkaufszahlen hat.

Was man dann machen kann, habe ich hier mal aufgeschrieben: https://moritzorendt.com/online-weniger-geld-verbrennen/

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